DIE ZWEITE SCHANGERSCHAFT: Gedanken einer Frühchen-Mama

Als wir uns für ein zweites Kind entschieden, dachte ich erst: „Oh nein, jetzt gelte ich ja als Risikoschwangere. Bestimmt gibt es nun vermehrt Kontrollen. Aber ich möchte doch solch eine entspannte Schwangerschaft erleben wie vor 2,5 Jahren!“

Seitdem sind nun einige Monate vergangen und ich möchte euch von meinen Gedanken als Frühchen-Mama erzählen, die nun in der Endphase der zweiten Schwangerschaft steht. Vielleicht findet ihr euch in der einen oder anderen Zeile wieder oder sie geben euch Vertrauen, wenn auch ihr gerade schwanger seid.

Naiv. Schwerelos. Vertrauensvoll.

Irgendwie so könnte ich wohl den Ansatz nennen, mit dem ich die erste Schwangerschaft anging. Von Beginn an gab es keine wirklichen Probleme. Ich konnte gewohnt aktiv bleiben und ich genoss die Zeit. Das einzige Problem war die damalige Frauenärztin, die nichts zu den wunderhaften Vorgängen in meinem Bauch erklärte, zudem nie lächelte und sehr abstruse Geschichten erzählte. Drei Monate tat ich mir das an und wechselte dann die Arztpraxis zum neuen Quartal.

Wenn es dir genau so geht, wenn du dich bei der bisherigen Frauenarztpraxis auf einmal unwohl fühlst (denn bei den vorherigen normalen Kontrollen war immer alles in Ordnung), dann frage in deinem Freundeskreis nach einer Empfehlung für eine andere Praxis. Die Zeit der Schwangerschaft ist kurz, aber so besonders, dass die Arztbesuche positive Gedanken auslösen sollten und nicht Unbehagen! Meinen Arztwechsel bereue ich bis heute nicht.

Ab dem 6. Monat kamen Sodbrennen, ab und an Wadenkrämpfe und hier und da Rückenschmerzen dazu. Das Sodbrennen hat mich insbesondere im 7. Monat abends sehr lange wach gehalten und schier in den Wahnsinn getrieben. Wie auch dieses Mal wieder. Ansonsten alles gut. Und allgemein: Eher Jammern auf hohem Niveau.

Und dann hatte ich auf einmal abends Rückenschmerzen. Am nächsten Morgen auch noch. Stichtag: 31+5.

Und dann hatte ich auf einmal abends Rückenschmerzen. Und am nächsten Morgen auch noch. Stichtag: 31+5. Über den Tag bemerkte ich, dass es keine anhaltende Schmerzen waren, sondern diese immer wieder kamen und gingen. Wehen? Im Rücken? Jetzt schon? Nein, das kann nicht sein. Eher Übungswehen. Woher sollten denn Geburtswehen auch kommen. Doch es waren tatsächlich Eröffnungswehen und gegen 18.30 Uhr zeigten sie sich auch nicht nur alle fünf Minuten, sondern ich war mir instinktiv bewusst, dass der kleine Knirps schon auf seine große Entdeckungstour gehen wollte. Meinen (Schwieger-)Eltern erklärten wir, dass wir zur Klinik fahren und alles kontrollieren lassen. Dass sie sich keine Sorgen machen sollen.

Rückblickend empfinde ich diese Ad-Hoc-Geburt, diesen Sprung ins kalte Wasser, fast angenehmer als nun zu warten, in mich hinein zu horchen, auf Anzeichen zu achten, ob sich denn der Entbindungstag nicht eventuell schon ankündigt. Das klingt für die meisten wahrscheinlich seltsam, denn letztendlich ist unser Sohn ein frühes Frühchen. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass unser jetziges Baby doch recht pünktlich auf die Welt kommt. Diese Ambivalenz der Gefühle begleiten mich während der gesamten zweiten Schwangerschaft. Hin- und hergerissen zwischen den Erfahrungen, die wir bereits hinter uns haben und dem neuen, unbekannten Terrain.

Diese Ambivalenz der Gefühle begleiten mich während der gesamten zweiten Schwangerschaft.

Nehmen wir zum Beispiel das Thema Risikoschwangerschaft: Nein, ich wollte keine engmaschige Betreuung. Bekam ich auch nicht – außer vermehrt Ultraschalle, um die Länge des Gebärmutterhalses regelmäßig zu kontrollieren. Doch seit der 31. Woche wünsche ich mir doch häufiger eine weitere Untersuchung. Immerhin ging die Geburt beim Knirps auch innerhalb eines Tages los – ohne vorherige Anzeichen. In der 35. Schwangerschaftswoche war der Gebärmutterhals nun auf 3,7 cm verkürzt und die Ärztin meinte, das wäre in Ordnung. Auch sie geht nicht davon aus, dass das Kind mit der Vorgeschichte des großen Bruders bis zur 40. Schwangerschaftswoche warten möchte. Sie sagte, ich könne alles wie bisher weitermachen, es jedoch nicht übertreiben. In der 37. Woche ist der Gebärmutterhals wieder bei 4 cm.

Ja, ich sollte allgemein aufpassen, vorsichtiger sein – sagt man mir, sag ich mir. Nun, was ist „vorsichtig sein“, was bedeutet nicht zu „übertreiben“? Ich möchte mir nichts von der Leichtigkeit nehmen lassen, die ich in der ersten Schwangerschaft fühlte. Zudem weiß bis heute niemand, warum es der Knirps so eilig hatte. Ich glaube, er war – und ist es noch immer – einfach entdeckerfreudig. Und würde die Kleine jetzt im Bauch nicht auch meine Unruhe aufnehmen, wenn ich mir andauernd Sorgen machen würde und könnte dies nicht auch charakterbildend sein?

Endlich Stichtag

Während die ersten drei Monate der zweiten Schwangerschaft eher verdeckt liefen, waren die Wochen vor der 32. für mich wie ein Countdown. Ich war aufgeregt, horchte in mich hinein, versuchte so wenig Stress wie möglich zu haben. Sogar ein kleines Videotagebuch führte ich. Vielen erzählte ich, wie froh ich sein werde, wenn der Tag gekommen ist, an dem der Zeitpunkt der ersten Entbindung hinter mir liegt.


Und so war es auch. Der Tag 31+6 kam und die sich in den letzten Wochen aufgebaute Anspannung fiel von mir ab.

Und so war es auch. Der Tag 31+6 kam und die sich in den letzten Wochen aufgebaute Anspannung fiel von mir ab. Ich fühlte mich befreit. Stark. Als ob jetzt erst einmal nichts schief gehen könnte. Natürlich Schwachsinn. Doch so war es. Vielleicht der Mutterinstinkt?

Nun stehe ich kurz vor Ende meiner zweiten Schwangerschaft und wieder fühle ich diese Ambivalenz der Gefühle. Einerseits bin ich voller Motivation Dinge anzupacken, zu erledigen – gleichzeitig sehne ich mich nach der 37. Schwangerschaftswoche – die Woche, mit der die Kleine kein Frühchen mehr wäre und ich im örtlichen Krankenhaus entbinden könnte. Also noch zwei Wochen, dann ist alles Paletti.

Bis dahin mache ich noch Gartenarbeit. Die finde ich entspannter als länger zu laufen. Und komme dem Nesttrieb nach. Doch wie war das? Gerade habe ich gelesen, dass bei Frauen, die kurz vor der Entbindung stehen, der Tätigkeitsdrang noch einmal verstärkt einsetzt. Kommt die Kleine dann vielleicht doch schon bald?

Und dann denke ich mir: „Ist doch okay… wenn sie schon kommen möchte… der Knirps hat es auch geschafft, sie ist doch schon so viel stärker.“ Im nächsten Moment empfinde ich diesen Gedanken als egoistisch. Frühgeburten können lebenslange Folgen mit sich führen. Das möchte ich natürlich auch nicht. Also doch nicht übertreiben. Am Ende kann ich es eh nicht beeinflussen.

Nesttrieb 2.0

Tatsächlich hatten wir bereits während der ersten Schwangerschaft das Gröbste, wie Kinderbett, Kinderwagen, etc. schon recht früh angeschafft. Kleinigkeiten, wie das erste Set Windeln, eine Notfall-Premilch-Packung oder eine Wickeltasche, hatte ich zum Zeitpunkt der Geburt jedoch noch nicht. Das ist nun in der zweiten Schwangerschaft anders. Bei uns ist bereits seit Woche 33 alles daheim gelagert und seit Woche 36 ist so gut wie alles eingerichtet. Ich wollte einfach alles für den Ernstfall bereits vorbereitet haben und nicht erst vom Wochenbett beginnen zu koordinieren, sondern nach dem Krankenhausaufenthalt ins gemachte Heim zurückkehren. Nur die Kliniktasche habe ich erst in Woche 33 gepackt, nicht wie bei der ersten Schwangerschaft – glücklicherweise – bereits in Woche 29.

Und dann ist da noch eine gewisse Wehmut. 

Bei all der Vorbereitung entsteht eine gewisse Wehmut. Eine Wehmut darüber, dass wir bald nicht mehr nur zu dritt sind. Der Knirps nicht mehr unser Kleiner sein wird. Dass die bisherigen Familienbilder unvollständig werden. (Darüber habe ich einen interessanten Blogpost gelesen, der mir aus der Seele spricht. Leider kann ich ihn euch nicht verlinken, da ich ihn nicht nicht mehr finde. #schwangerschaftsdemenz) Die intensive Zeit, die wir aktuell in seinen Sommerferien mit ihm verbringen, verstärken dieses Gefühl, dieses Ziehen im Bauch.

Eine Wehmut darüber, dass ich wahrscheinlich nur noch dieses eine Mal schwanger sein werde. Dies zeigt sich in solch trivialen Gefühlen, dass ich es schade finde, wieder nicht dazu gekommen zu sein, alle meine Schwangerschafts-Bücher zu lesen, obwohl ich es mir fest vorgenommen habe.

Gefühle in der zweiten Schwangerschaft

Ganz ehrlich: Die zweite Schwangerschaft empfinde ich gar nicht ganz so freudig wie die erste. Wahrscheinlich sind Ängste und Bequemlichkeit mit diesem Gefühlsstand verbunden. (Wie wird sich mein Körper verändern? Meine Emotionen und Hormone sich wandeln? Nach der ersten Schwangerschaft war ich mit meinem Ich ganz zufrieden und jetzt wird wieder einmal alles durcheinander gewürfelt). Gleichzeitig genieße ich es auch meinen Bauch spazieren zu gehen – am besten gleichzeitig mit einer Freundin, die genauso weit schwanger ist wie ich. Da entsteht sie erneut – die Ambivalenz der Gefühle.

Auf die Geburt freue ich mich derweil. Ja, verrückt. Die meisten haben Angst oder Befürchtungen – auch ich weiß, dass dieses Erlebnis schmerzhaft werden wird. Und zwar in einer stärkeren Intensität als bei der ersten Entbindung, da die Kleine um einiges größer und schwerer ist als ihr Bruder. Doch ich plädiere für eine positive Sicht auf den Vorgang am Geburtstag des eigenen Kindes. Es ist eine unglaubliche, unvergessliche Erfahrung, welche wir als Frauen erleben dürfen. Die Kräfte, die in uns zum Vorschein kommen, wird niemand von uns vorher gekannt oder vermutet haben. Kein Mann kann das von sich erzählen. Und ja, Schmerzen bringen Wunden. Dieses kleine Wesen wird mich verwunden. Doch die Wunden der Geburt werden wieder heilen. Eine allgemeine Verwundbarkeit wird jedoch immer bleiben, allein durch das pure Dasein dieses Kindes.

Allein durch das Dasein des Kindes bleibe ich für immer verwundbar.

Habe ich Angst davor, dass unser Kind wieder länger im Krankenhaus sein könnte? Nein. Der Knirps war (erstaunlicherweise nur) vier Wochen in der Klinik. Die Kabel, mit denen er rundum versorgt und überwacht wurde, empfand ich – im Gegensatz zu vielen anderen – nie als schlimm, sondern wusste, dass sie ihm helfen, stark genug für diese Welt zu werden. Also bin ich der tiefen Überzeugung, dass Gott auch seine schützende Hand über die Kleine hält, egal was kommt.

Kommentare in der zweiten Schwangerschaft

Sehr viele Menschen sagen zu uns: „Ach, ihr seid ja alles schon gewohnt – ihr wisst, wie es ist ein Neugeborenen Zuhause zu haben. Ihr wisst, wie alles seinen Gang läuft.“ Und ich dann jedes Mal: „Nein, nein, nein.“

Nein, wir kennen es nicht, sofort die komplette Verantwortung für unser Kind zu übernehmen. Und nein, wir wissen nicht, wie es ist, ein Neugeborenes nach der Geburt mit nach Hause zu nehmen. Wie sich die Tage im Wochenbett anfühlen. Wie sich Bonding anfühlt oder die gemeinsame Zeit des Stillens.

Nach der Entbindung vom Knirps haben wir ihn für wenige Sekunden ansehen können, bevor wir ihn dann nach einer Stunde (nach meiner Nachsorge) erst wieder in seinem Wärmebettchen sehen durften. Danach waren er und ich fünf Etagen voneinander getrennt, mein Mann fuhr nach Hause. Und wir mussten uns erst klar werden, dass in dem riesigen Gebäude der Uniklinik ein ganz besonderes Kind liegt – und zwar unser eigenes.

Ich kenne kein „Bonding“ – das wünsche ich mir wirklich von Herzen! Das kleine Wesen nach der Geburt sofort auf meiner Brust zu spüren, das muss himmlisch sein. Diesen Moment durften wir beim Knirps erst vier Tage später erfahren.

Auch das Stillen hat leider nicht geklappt, weder in der Klinik noch daheim. (Dafür habe ich mehrere Monate abgepumpt, Muttermilch hat der Kleine also bekommen.) Möchte ich jetzt stillen? Ja, gerne würde ich es können und ausprobieren. Gleichzeitig schätze ich auch die Einfachheit der Flasche. Aber auch hier ist die Gewohnheit der Meister. Denn stillende Mütter empfänden die Flasche wohl wieder als Aufwand. Ich bin gespannt, was ich in einem halben Jahr dazu sagen kann.

Ein Wochenbett – DAS Wochenbett – kenne ich auch nicht. Nach 1,5 Tagen Klinikaufenthalt ging es für mich nach Hause und wir pendelten täglich in die Klinik. Das Wochenbett ging daher ungewöhnlich nebenbei einher. Durch „normale“ Nächte daheim, verheilte alles sehr schnell. Die Sehnsucht nach dem Kleinen wurde jedoch immer stärker und tränenreicher, umso mehr wir ihn kennenlernen durften.

Ich kenne es auch nicht, von Anfang an verantwortlich für dieses Kind zu sein. Während unserer Zeit am Uniklinikum wurden wir angelernt, wie wir diese neugeborenen 44 cm wickeln und halten sollen. Wir wurden an unsere Elternaufgabe herangeführt und mussten uns erst einmal bewusst werden, dass dieses Kind unseres ist. Ich musste erst verstehen, dass in meinem Bauch keine Bewegungen mehr stattfinden. Wie häufig habe ich noch danach an meinen Bauch gefasst und mit ihm gesprochen, obwohl der Knirps längst geboren war? Immerhin habe ich noch einen Tag vor der Entbindung Umstandskleidung bestellt, da ich eindeutig eine neue Kleidungsweite benötigte. Und auf einmal war da ein Kind. Unseres. Ab wann wird zum Kind im Bauch eigentlich so eine richtig intensive Bindung aufgebaut? Ab wann können zukünftige Eltern es fassen, dass dieses Kind im Bauch das eigene sein wird? Ist es erst jetzt am Ende der Schwangerschaft, wenn ich der Kleinen zwei Wochen vor Entbindungstermin zuflüstere, dass bereits alles für sie vorbereitet ist? Dass ihr großer Bruder es kaum noch aushält auf sie zu warten?

Als ich das Paket mit der bestellten Umstandsmode ungeöffnet unter versteckten Tränen zurücksandte, begann die Trauer über die fehlenden Schwangerschaftswochen. Ich fühlte mich als Frau nicht komplett. Ein Prozess eines Teils von mir war noch nicht beendet. Jetzt ist es anders. Heute sind es genau noch 14 Tage bis zum hervorgesagten Entbindungstermin.

Liebe Kleine, unsere „Wolke“, du darfst kommen und es dir zwischen unseren Armen gemütlich machen. Wir lieben dich jetzt schon.


Nachtrag:

Ich danke allen Eltern, die offen mit ihren Erlebnissen einer Frühgeburt umgehen. Die ihre Erfahrungen, Besorgnisse und Freuden mit mir teilten. Ein besonderes Dankeschön geht dabei an meine heutige Nachbarin, die ich drei Wochen vor der Entbindung erst nur telefonisch kennenlernte, jedoch sofort offen mit ihren eigenen Frühchen-Erfahrung eine starke Stütze war.

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